Am Sonntag, den 25. Oktober 2009 fand in der Ortschaft Zoppè / San Vendemiano in der Nähe von Conegliano die feierliche Eröffnungsfeier des “polo steineriano NOVALIS” statt. Eine kleine Brixner Delegation, bestehend aus unserem Vorsitzenden Michael Klapfer und seiner Frau Gerda Amort, sowie Artur Schifferegger und dem Schreibenden Christian Moser, war bereits früh morgens angereist und konnte den Feierlichkeiten in der Eingangshalle der Schule beiwohnen.
Das Schulzentrum wirkt auf die Besucher wie eine Umarmung und besteht aus einer Vielzahl von Klassenräumen, welche halbkreisförmig um einen Vorplatz angeordnet sind: die Normalklassen von Grund,- Mittelschule und Lyzeum, sowie die Fachunterrichtklassen für Physik, Malerei, Bildhauerei, Musik und Eurithmie.
Nach einer Stärkung am Buffet, das auf dem Innenhof der Schule aufgebaut worden ist, wurden die Räumlichkeiten zusammen mit dem Architekten der Schule besichtigt.
Die Planung der Schule wurde vor sieben Jahren begonnen, als 1. Baulos wurde vor 1,5 Monaten das Schulgebäude, welches einen Kindergarten mit 3 Sektionen, eine Grundschule, 1 Mittelschule und eine Oberstufe (Lyzeum) beherbergt, in Betrieb genommen. Als 2. Baulos wird demnächst der Mehrzwecksaal in Angriff genommen, welcher gleichzeitig als Turnhalle und Theatersaal (mit einer Kapazität von 400 Sitzplätzen) genutzt werden soll. Als 3. Baulos soll dann der Kindergarten in Angriff genommen werden und aus dem jetztigen Schulgebäude umgesiedelt werden. Kindergarten und Schule bieten derzeit 220 Kindern Platz.
Das Schulgebäude ist ein gelungenes Beispiel organischer Architektur. Der schalenförmige Grundriss umschliesst einen großen Innenhof, welcher als Pausenhof und Kommunikationszone dient. Im Zentrum des Gebäudes liegt der großzügige Eingangsbereich, von dem aus die einzelnen Klassenbereiche erreicht werden können. In besonderem Maße fallen die geschwungenen Dachflächen auf, welche den organischen Linien der einzelnen Fassaden folgen und auch für die Innenräume im 1. Obergeschoß ein wesentliches Gestaltungselement bilden.
Interessantes Detail am Rande: die Dachkonstruktion ist von der Südtiroler Firma Moser Holzbau aus Taisten/Welsberg realisiert worden.
Auffallend im Bereich der Treppenaufgänge sind die kunstvoll gestalteten Wandmalereien in Lasurtechnik von Bettina Müller (arbeitet seit 1993 in der Sektion für Bildende Künste am Goetheanum in Dornach (CH), welche den Erschließungsbereichen einen besonderen, fast meditativen flair verleihen. Sehr gut haben uns die Klassenräume gefallen, welche förmlich von Tageslicht durchflutet sind und mit ihren – je nach Altersstufe – verschieden farbigen Vorhängen eine angenehme Atmosphäre bilden.
Während man sich in den Klassenräumen für Wandheizung entschieden hat, wurde in den Gängen eine Fussbodenheizung vorgesehen. Das Gebäude wird über eine Erdwärmepumpe beheizt, welche in Zukunft über eine Photovoltaikanlage, die auf dem Dach des Mehrzwecksaales installiert werden soll, mit Strom versorgt werden soll. Die Belüftung der Räumlichkeiten erfolgt über eine kontrollierte Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.
Die tragenden Elemente wurden in Stahlbeton ausgeführt, die Ausfachungen bzw. nicht tragenden Wände in Ziegelmauerwerk. Bei der Wahl der Materialien wurde besonders darauf Rücksicht genommen, dass diese Naturprodukte sind und keinerlei chemische Zusätze verwendet wurden.
Durch die 16 cm starke Aussendämmung aus Korkplatten konnte ein sehr Energie sparendes Gebäude realisiert werden, welches in etwa den Klimahaus Standard A erreicht. Die gekrümmten Dachflächen sind in Titanzinkblech eingedeckt, die Fensterelemente wurden in Aluminium ausgeführt. Sehr kostspielig war das Untergeschoß, wo Werkstätten und Lagerräume untergebacht sind. Aufgrund des hohen Grundwasserstandes musste eine Pumpenanlage installiert werden, welche rund um die Uhr den Grundwasserspiegel absenkt. Die Tatsache, dass in den Gängen und Klassenräumen keine besonderen akustischen Maßnahmen getroffen worden sind, wirkt sich im 1. Obergeschoss unterhalb der Dachkonstruktion nicht so gravierend aus; im Erdgeschoss hingegen, wo glatte Decken sind, fällt es hingegen mehr auf und könnte im Zuge der Innenraumgestaltung noch verbessert werden.
Das Grundstück, auf welchem das Schulzentrum errichtet wurde, war eine Schenkung von Seiten einer wohlgesinnten, örtlich ansässigen Familie. Der Bau wurde durch Spenden finanziert bzw. durch den Gewinn, den die Firma ECOR mit dem Anbau und Vertrieb ökologischer Produkte jährlich erwirtschaftet. Die Vorfinanzierung erfolgte dank Aufnahme eines ethical banking Kredites.
Am Nachmittag spielte eine Schulband Pop und Rock vom Feinsten, und man wurde zurückversetzt in die eigene Schulzeit, in der die Musik von Deep Purple, Jethro Tull, Led Zeppelin (mal rein hören!), Pink Floyd und Crosby, Stills, Nash & Young bei keinem Fest fehlen durfte.
Ein besonderer Dank geht an Artur Schifferegger, der das Fotomaterial für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat.
Sollte jemand mehr Informationen zur Architektur bzw. zum Bau von Waldorfschulen benötigen kann er/sie sich gerne mit mir in Verbindung setzen (arch.moser@dnet.it bzw. christian@bridamoser.it)
Als freiberuflicher Architekt habe ich mich im Rahmen der Planung einer Waldorfschule und eines Waldorfkindergartens in Brixen/Südtirol eingehend mit der Thematik befasst -> siehe auch eigenen Bericht.
Wirklch sehr informativ! Werde aufjedenfall wieder kommen. Danke fuer den Beitrag.
Gruss
Andres